Mittwoch, 12. März 2008

Wie Riese Bruno Freunde suchte

Es war einmal ein Riese, der hieß Bruno. Er war noch ein kleiner Riese und lebte mit seiner Riesenmama und seinem Riesenpapa in einer Höhle im Wald. Bei den Riesen gab es immer eine Menge zu tun. Mama und Papa Riese suchten im Wald nach Essen und waren oft erst spät zu Hause. Riese Bruno war dann ganz allein in der Höhle oder er lief einfach so durch den Wald.
Bisher war er dabei immer fröhlich gewesen, denn im Wald gab es immer eine Menge zu entdecken. Manchmal gab es Fußspuren vor der Höhle, oder der Boden war von den Wildschweinen zerwühlt. Rings um seine Höhle gab es schönes Moos, das ganz weich war, wenn man ohne Schuhe und Strumpfe darüber lief. Im Frühling blühten blaue und weiße Blumen vor der Höhle, im Herbst standen dort viele Pilze. Die Pilze, die man essen konnte, waren oben braun und unten gelb, aber die roten mit den weißen Punkten durfte man nicht essen. Das wusste Bruno schon ganz genau. Manchmal guckte Riese Bruno sich die Bäume an und schnupperte, wie gut sie rochen, oder er legte sich ins Moos und sah den Wolken nach. Bruno liebte den Wald. Wenn er sich auf die Zehenspitzen stellte, reichte seine Nase seit Kurzem gerade bis zum Baumwipfel. So konnte er über die Bäume gucken, und das tat er wirklich gern. Bruno liebte den Wald, auch wenn er ganz allein darin umherlief.
Aber heute war es anders.
Bruno war heute traurig, sehr traurig, denn Bruno hatte etwas gefunden.
Am Morgen war Bruno wie immer durch den Wald gebummelt. Da entdeckte er auf dem Boden ganz hinten etwas, was dort sonst nicht lag. Er ging hin und sah nach, was da zwischen zwei Büschen vorguckte. Es war aus Pappe und hatte viel bunte Bilder, die man umklappen konnte. Bruno guckte sich die Bilder genauer an. Auf den Bildern waren viele kleine Kinder mit lustigen Dingen in den Händen. Die Kinder spielten zusammen. Es waren ein großer Sandkasten und ringsum Blumen und Bäume zu sehen. Die Kinder waren viel kleiner als die Bäume, und die Blumen gingen ihnen fast bis zum Knie. Lustig sahen die Kinder aus. Es sah sehr schön aus,wie sie miteinander fröhlich waren und Bruno fühlte sich plötzlich sehr allein . Auch er wollte gern mit anderen spielen, aber außer Mama und Papa gab es keine Riesen im Wald. Bruno guckte lange auf die Bilder und auf einmal wurde er sehr traurig. Bruno wollte auch Freunde haben, mit denen er spielen konnte, aber weit und breit war keiner zu sehen.
„Gibt es denn hier gar keine anderen Riesen? Bin ich ganz allein im Wald?“, fragte sich Bruno und machte sich noch einmal ganz lang, um alles genau sehen zu können. Aber weit und breit sah er nur Baumwipfel, nirgendwo war ein anderer Riese zu sehen, der zum Spielen zu gebrauchen war. Nur ganz hinten am Ende des Waldes konnte er jetzt einen kleinen Spielplatz entdecken, genau so klein wie die Stadt mit den vielen Häusern, die er schon öfter angeschaut hatte. Er dachte an die bunten Bilder, die er gerade entdeckt hatte und dann fiel es ihm ein: Der Spielplatz ist für die Kinder da. Die sind so klein, dass sie dort gut spielen können. Bruno erinnerte sich, dass er dort nachmittags schon oft viele Kinder gesehen hatte, die lustig durcheinander liefen. Das wollte er sich genauer anschauen. Bruno stampfte durch den Wald und blieb erst stehen, als er ganz kurz vor dem Spielplatz stand. „Hoffentlich entdeckt mich jetzt keiner“, dachte Bruno. „Vorsichtshalber kann ich mich ja hinter diesem dicken Busch verstecken. Am besten ist es wohl, wenn ich mich ganz flach auf den Bauch lege. Dann entdeckt mich bestimmt keiner.“ Und schon hatte er sich auf den Bauch gelegt und guckte vom sicheren Versteck aus zum Spielplatz.
Er sah den Kindern eine Weile zu, die gerade Verstecken spielten. Ein kleiner Junge mit hellblonden Haaren hielt sich die Augen zu und stellte sich an einen Baum. Bruno hörte noch, wie der kleine Junge zu zählen begann: „Eins, zwei, drei, vier…“. Die anderen Kinder rannten inzwischen davon und bald konnte der Riese keins von Ihnen mehr entdecken. Dann hörte Bruno, wie der blonde Junge laut rief: „achtundneunzig, neunundneunzig, hundert, alles muss versteckt sein.“ Dabei drehte er sich um und begann, die Kinder zu suchen. Wenn er jemanden entdeckt hatte, rannten beide um die Wette zu dem Baum. Dabei mussten sie wohl viel Spaß haben, denn Bruno hörte von seinem Versteck, wie sie dabei lachten. Der blonde Junge entdeckte ein Kind nach dem anderen und ganz oft war er der erste am Baum. Als alle gefunden waren, durfte ein Mädchen mit braunen Zöpfen sich die Augen zuhalten. Zu gern hätte Bruno mitgemacht, denn er konnte gut und schnell laufen. Aber die Kinder hatten schon ein neues Spiel begonnen. Bruno sah, wie 3 Kinder um ein paar auf dem Boden aneinander gemalte Kästchen herumstanden. Sie zielten mit einem Stein in die Figuren und hopsten dann durch die Kästchen. Alle drei Kinder kamen an die Reihe. Bruno gefiel das Spiel und er wollte auch mit dem Stein in ein Kästchen zielen und dann hopsen. Der Riese wurde ganz unruhig in seinem Versteck. Sollte er einfach hervorkommen und sagen: „Ich mach auch mit. Ich bin der Riese Bruno und wohne im Wald.“? Sicher würden die Kinder das verstehen und sie könnten alle zusammen spielen. Aber während Bruno hinter dem Busch saß und darüber nachdachte, hatten die Kinder schon mit dem Hopsespiel aufgehört. Ich hab zu lange überlegt, dachte Bruno. Jetzt pass ich besser auf und bin ganz schnell. Die Kinder begannen nun, Fangen zu spielen. Wieder begann der blonde Junge zu zählen, aber diesmal ganz langsam: „Eins, zwei, drei, vier…“. hörte Bruno und dann „neun, zehn, ich komme“ „Das gefällt mir. Diesmal passe ich besser auf. Jetzt mach ich mit.“, flüsterte Bruno aufgeregt hinter dem Busch, und als er das „neun, zehn, ich komme.“ hörte, stürmte er mit einem Lachen aus seinem Versteck hervor. „Ich komme auch!“, rief er fröhlich und rannte auf den Spielplatz zu den Kindern. Jetzt werden wir zusammen spielen, das sind meine neuen Freunde, dachte Bruno. Aber was musste er sehen? Die Kinder rannten schreiend davon und versteckten sich. Bruno hörte gerade noch, wie das Mädchen mit den braunen Zöpfen ängstlich rief: „Hilfe, ein Riese!“. Dabei war das doch Fangen und nicht verstecken. Bruno stand ganz allein auf dem Spielplatz und die Kinder waren verschwunden. So hatte er sich das nicht vorgestellt. Erstaunt und traurig blickte der Riese auf den leeren Spielplatz, auf dem vor ein paar Minuten noch so lustig gespielt wurde. Irgendetwas war falsch gelaufen. Traurig ging Bruno in den Wald zu seinem Busch zurück. Er setzte sich auf den Boden, stützte den Kopf in die Hände und dachte darüber nach, warum die Kinder weggelaufen sind.

Riese Bruno saß lange auf dem Boden, so lange, dass es schon dunkel wurde. „Warum sind sie alle weggelaufen?“ fragte sich Bruno. „Ich bin doch ganz freundlich auf die Kinder zugelaufen. Heute früh hab ich mich ganz prima gewaschen und sogar gekämmt. Woran konnte es dann wohl liegen, dass sie ihn nicht zum Freund haben wollten?“ Ihm fiel nichts ein, woran es liegen könnte, und weil er so ratlos war, fragte er einfach in den Wald hinein: „Weiß denn keiner, warum die Kinder nicht mit mir spielen wollen?“ Das hörte die Eule oben auf dem Baum, die gerade von ihrem Tagesschlaf aufgewacht war. Bruno mochte die Eule und hörte gern ihr „Uhu“. „Natürlich weiß ich das, uhu!“, rief sie. „Guck Dich mal an, Riese Bruno, und dann sieh’ Dir die Kinder an. Ganz anders siehst Du aus. Seht ihr aus wie Freunde, die zusammen spielen? Die Kinder haben Angst vor Dir.“ „Sie haben Angst vor mir?“ fragte er die Eule. „Natürlich haben sie Angst“, sagte die Eule und blinzelte den Riesen mit ihren großen Augen an. „Hast Du nicht gesehen, wie schnell sie weggelaufen sind?“
Der Riese dachte nach. Dann griff er in seine Tasche und zog den alten Spiegel hervor, den er so sehr liebte. Wenn er hineinblickte und sein Gesicht im sah, freute sich Bruno sonst immer, denn er sah dann ein fröhliches Gesicht.
Er sah lange braune Zottelhaare, die ihm bis zu den Schultern reichten. Das fand er sehr praktisch, denn er brauchte sich nicht viel darum kümmern, musste er sich nur ganz selten die Haare schneiden lassen. Gern lies er auch das Kämmen einfach ausfallen. Deshalb hatte er schon öfter Ärger mit seiner Riesenmama bekommen, denn die sagte immer: „Einmal am Tag musst Du Dich waschen, Deine Zähne schön sauber machen und Dir die Haare kämmen.“ Da die Riesenmama aber nur selten so richtig genau hinguckte, wenn Bruno sich waschen und kämmen sollte, waren seine Haare meistens ziemlich zerzaust. Mit dem Waschen war es ein wenig anders. Im Sommer wusch sich Bruno wirklich gern, denn er mochte es, wenn er zur Quelle gleich neben der Höhle gehen und dort so richtig doll spritzen konnte. Dabei ließ er sich meist viel Zeit und auch die Zähne konnte er dabei gleich sauber putzen. Im Winter machte es nicht so viel Spaß, denn da gab es in der Höhle nur ein Stück Baumstamm mit einer Kuhle darin, in die er Wasser füllen musste. Dabei musste er vorsichtig sein und durfte nicht so schön spritzen wie im Sommer. Darum ging es im Winter mit dem Waschen viel schneller als im Sommer. Kämmen fand Bruno langweilig und auch nicht so wichtig, und wenn die Riesenmama nicht genau aufpasste, ließ er es einfach weg.
Bruno guckte wieder in den Spiegel und fand sein Bild auf einmal gar nicht mehr so fröhlich. Ein unordentlicher Riesenjunge guckte ihn an, einer, der sich nicht gekämmt hatte und gar nicht wie ein Kind auf dem Spielplatz aussah.
Was die Eule sagt, das stimmt, dachte er. Ich sehe ganz anders aus als die Kinder, einfach unordentlich. Meine Hose ist alt und zerbeult und für diesen schönen Sommertag viel zu warm, meine Haare sind struppig. So geht kein Kind auf den Spielplatz. Da müssen sie sich ja fürchten. Er trottete heim zu seiner Höhle und kuschelte sich in sein schönes warmes Fell, das zum Schlafen für ihn in der Höhle lag. Lange lag er wach und konnte nicht einschlafen. Von draußen hörte er ab und zu das „Uhu“ der Eule. Er musste immer daran denken, wie er die Kinder als Freunde gewinnen konnte.

In der Nacht hatte Bruno schlecht geschlafen und von den Kindern und der Eule geträumt. Nun guckte der erste Sonnenstrahl in die Höhle und Bruno wurde wach. Er reckte und streckte sich und ihm fiel sein Traum wieder ein. Plötzlich hatte er eine Idee. Sein großer Mund lachte jetzt. Heute wollte er die Kinder als Freunde gewinnen und diesmal war er schlauer.
Bruno freute sich nun auf den neuen Tag.
„Ich sehe wirklich nicht so wie die Kinder, hatte die Eule gesagt. Genau so ist es.“, dachte Bruno und überlegte, wie er das ändern könnte. Er guckte an sich runter und sah seine alte verbeulte Hose, die über einem traurigen schwarzen Pullover mit Hosenträgern gehalten wurde. Die Hose reichte bis zu den Schuhen, der Pulli sah gar nicht fröhlich aus. Bruno begriff und schlug sich mit der Hand an die Stirn. So unordentlich und so warm angezogen läuft an so einem schönen Sommertag kein Kind auf den Spielplatz. Die Kinder dort hatten kurze Hosen und lustige bunte Pullis an. Bruno wusste, dass er ganz hinten im Regal auch einen rot-weiß gestreiften Ringelpulli hatte. Den musste er jetzt finden. Bruno begann zu suchen. Dabei warf er erst einmal alle Sachen aus dem Regal auf den Boden. Ein Riesenberg Sachen lag schon dort, als er endlich den Ringelpulli entdeckte. Rot und weiß und ganz fröhlich sah er aus. Schon flog Brunos schwarzer langweiliger Pulli zu den anderen Sachen auf den Boden, und Bruno schlüpfte in den Ringelpulli. Prima, fand Bruno. Nur die Hose stimmte noch nicht. Bruno überlegte kurz, dann griff er nach der Schere und schnitt über dem Knie in das linke Hosenbein. Ritsch-Ratsch, war das Hosenbein abgeschnitten und schon setzte er die Schere an das rechte Hosenbein und schnitt auch dieses Hosenbein ab. Bruno fand, dass er jetzt eine wunderschöne kurze Hose hatte, auch wenn das linke Hosenbein nun etwas kürzer war als das rechte. Nur ein ganz klein wenig dachte er daran, was wohl die Riesenmama zu der kurzen Hose sagen würde, und er ahnte schon, dass sie die kurze Hose nicht so richtig gut finden würde. Einen Moment war er deshalb ein wenig ängstlich, aber der Gedanke, bei den Kindern mitspielen zu dürfen, ließ ihn das schnell vergessen. Nun klebte er sich noch ein Pflaster auf das rechte Knie, denn so ein Pflaster hatte er bei dem Mädchen mit den braunen Zöpfen gesehen. Also musste auch Brunos Knie so ein Pflaster haben.
Ob das wohl schon reicht, dachte Bruno. Sehe ich jetzt wirklich aus wie die Kinder von Spielplatz? Bruno dachte nach, und da fiel ihm wieder das Mädchen mit dem Pflaster auf dem Knie ein, denn das fand Bruno am lustigsten. Zöpfe, wie wär’s mit Zöpfen, kam es Bruno plötzlich in den Sinn. Dann sehe ich wirklich aus wie dieses Mädchen. Zum Glück hab ich ja lange Haare. Bruno wusste, wie man lange Haare flechten kann. Das wollte er jetzt gleich ausprobieren. Es dauerte nicht lange, da hatte der Riese sich links und rechts neben seinen Ohren zwei Zöpfe geflochten. Nun war Bruno sehr zufrieden. „Jetzt sehe ich aus wie die Kinder“, rief er und machte sich auf den Weg in Richtung Spielplatz. Bruno hatte lange gebraucht, bis er mit seinem Aussehen zufrieden war und nun war der Tag schon fast vorüber. Aber für ein kleines Spiel mit den Kindern würde die Zeit heute schon noch reichen.
Er wartete einen Moment, bis er die Kinder gut sehen konnte, holte noch einmal tief Luft und ging voller Erwartung auf die Kinder zu. Dann hörte er nur noch, wie ein Junge rief: „Der Riese ist wieder da, schnell weg!“ Schon war der eben noch so schöne Spielplatz ganz leer und der Riese stand dort plötzlich ganz allein. „Warum rennen die Kinder denn schon wieder weg?“, fragte Bruno die Eule, die gerade ihren Tagesschlaf beendet hatte. „Ich hab mir doch so viel Mühe gegeben, damit ich wie die Kinder aussehe.“ Die Eule schüttelte nur den Kopf, weil Bruno überhaupt nichts begriff. Langsam erklärte sie Bruno: „Ja, Mühe hast Du Dir wirklich gegeben, uhu, und die Zöpfe hast Du auch besonders gut hinbekommen. Aber denkst Du wirklich, die Kinder haben wegen Deiner alten Sachen und Deiner Zottelhaare vor Dir Angst, uhu? Du bist ein Riese, Bruno. Du bist viel, viel größer als die Kinder. Darum haben sie Angst vor Dir.“, antwortete die Eule noch etwas verschlafen.
Traurig sah sich Bruno um und nun kullerte sogar eine große Träne über seine Wangen. Für heute hatte Bruno genug vom Freunde suchen. Traurig entwirrte er die so mühsam geflochtenen Zöpfe und seine Zottelhaare hingen ihm wieder völlig durcheinander auf die Schultern. Langsam schlich er in den Wald zurück und lief nach Hause. Als er die Riesenmama sah, fiel ihm seine nun kurze Hose ein und er schämte sich ein wenig. Aber die Mama sah seine Tränen, nahm Bruno in den Arm und strich ihm sanft über seine Zottelhaare. „Willst Du mir nicht erst mal erzählen, was passiert ist?“, fragte sie Bruno, und nun erzählte ihr der kleine Riese, wie gern er mit den Kindern spielen wollte, wie die aber vor ihm weggelaufen sind. Als er seiner Mama erzählte, warum er seine Hose abgeschnitten hatte, klopfte sein Herz doch etwas aufgeregt. Würde Mama jetzt losschimpfen? Aber die Mama schimpfte nicht, sondern hörte Bruno ganz aufmerksam zu. Jetzt ging es Bruno schon etwas besser aber dann musste er doch noch etwas weinen und klagte unter Schluchzen seiner Mama sein Leid: „Ich bin ein Riese. Ich bin anders als die Kinder. Nur weil ich groß bin, will keiner mit mir spielen. Ich will kein Riese mehr sein. Ich will ein Kind sein und mit den anderen Kindern zusammen spielen. “ „Das geht nicht, Bruno“, tröstete ihn die Riesenmama. „Wir können uns nicht aussuchen, wie groß wir sind. Du bist ein sehr schöner Riese und das ist gut so. Und nun zieh die kaputte Hose endlich aus und geh ganz schnell schlafen, es ist schon ganz spät. Die Eule ruft und der Mond ist schon zu sehen.“ Traurig schlief Bruno an diesem Abend ein und nur das Uhu der Eule machte ihn ein wenig weniger traurig.
Am nächsten Morgen wollte Bruno allein sein und durch den Wald streifen. Das tat er immer, wenn er traurig war und meistens war er danach schon ein wenig fröhlicher, denn Bruno liebte ja den Wald sehr. Er spazierte als erstes zu den Himbeersträuchern um zu gucken, ob er dort schon reife Früchte naschen konnte. Aber der Sommer lies sich in diesem Jahr reichlich zeit mit den Himbeeren und so viel Bruno auch guckte, die Beeren wollten einfach noch nicht rot sein, er konnte keine einzige reife Beere entdecken. Dann geh ich eben zum See, dachte Bruno. Vielleicht kann ich ein Bad nehmen. Das Wasser war zwar noch kalt, aber Bruno wollte nur kurz untertauchen. Schnell legte er seine Sachen ans Ufer und sprang ins kalte Wasser. Wenn es so kalt war, lief Bruno immer ganz schnell hinein. Das fand er viel besser, als sich lange zu überlegen, ob er denn nun wirklich richtig friert. Er spritzte mit dem Wasser, schwamm ein paar Züge und schon war er wieder draußen und ließ sich von der Sonne wärmen. Mir geht es doch ganz gut, meinte Bruno. Mit den Kindern wäre es aber eben doch noch ein Stückchen lustiger. Bruno sah gerade einem braunen Schmetterling mit dunklen Punkten nach und träumte vor sich hin. Da hörte er ganz leise ein Rufen. Zuerst nahm er es kaum wahr, aber dann war es immer deutlicher zu hören. „Hilfe, hört mich wer?“ und dann wieder „Hilfe, hört mich wer?“ Bruno konnte es jetzt ganz deutlich hören. Jemand brauchte Hilfe. Bruno zog schnell seine Sachen an und guckte in die Richtung, aus der die Stimme kam. Er ging ein Stück auf die Stimme zu und hörte wieder das Rufen: „Hilfe, hört mich wer?“. Bruno lief weiter, jetzt rannte er schneller. Da braucht jemand meine Hilfe, ging es ihm durch den Kopf. Die Stimme wurde lauter. Gleich hab ich es gefunden, ging es Bruno durch den Kopf. Ich muss mich beeilen. Gut, dass ich schnell laufen kann. Und dann stand Riese Bruno vor einer tiefen Grube. Aus dieser Grube kam die Stimme. Bruno guckte in die Grube und sah ganz unten den blonden Jungen, den er gestern auf dem Spielplatz gesehen hatte. Die Wände der Grube waren steil und der Junge versuchte gerade, ein Stück nach oben zu klettern, aber er rutschte immer wieder ab. Er weinte und sah sehr ängstlich aus. Warte, rief Bruno dem Jungen zu. Ich helfe Dir.
Jetzt hatte der Junge Bruno entdeckt und als er das riesige Gesicht über der Grube sah, fing er an zu weinen, genau so wie es gestern die Kinder auf dem Spielplatz getan hatten. Bruno lächelte ihn freundlich an und rief ihm zu: „ Ich will Dir doch nur helfen. Du brauchst vor mir keine Angst zu haben.“ Der Junge guckte nach oben und war plötzlich still. Er überlegte. Vielleicht hatte das große Gesicht da oben Recht und wollte ihm helfen. Es war zwar groß, aber doch ein freundliches Gesicht. „Wer bist Du?“, fragte der Junge nach oben und seine Stimme zitterte noch ein wenig. „Ich bin Bruno, der Riese“. Antwortete es von oben. „Ich hol dich da raus. Warte einen Moment.“ Bruno legte sich auf den Bauch und steckte den Arm in die Grube. Er hatte Glück, er reichte bis runter zu dem blonden Jungen. Vorsichtig, ganz vorsichtig, griff Bruno mit Daumen und Zeigefinger den Jungen unter den Schultern. Ich muss jetzt ganz vorsichtig sein, damit ich ihm nicht wehtue, ging es dem Riesen durch den Kopf. Ganz sanft hob Bruno den Jungen hoch und spürte dabei, wie dessen Herz unter seinen Fingern vor Angst pochte. Der Riese setzte den Jungen vorsichtig ins Gras und setzte sich daneben. „Wie heißt Du denn?“, frage er nun den Jungen, denn ihm fiel ein, dass er den Jungen nun schon so lange kannte, da muss man schließlich wissen, mit wem man es zu tun hat. „Ich bin Tim“, antwortete der Junge, und Bruno konnte sehen, wie froh Tim war, dass er nicht mehr in der Grube saß. „Hallo Tim“, sagte Bruno. „Das ist doch nur eine kleine Grube. Da brauchst du doch nicht zu weinen. Siehst doch, wie einfach man da rauskommt.“. Verwundert schaute Tim jetzt den Riesen an. Wollte der sich über ihn lustig machen. „Das ist doch eine ganz tiefe Grube“, sagte Tim. „Da wäre ich allein nie herausgekommen. Ich bin doch kein Riese. Und wenn du nicht so groß gewesen wärst, hättest du mich da auch nicht herausbekommen.“ Bruno guckte Tim mit großen Augen an und ganz plötzlich begriff er, wie gut es war, dass er so groß war. Ihm fielen Mamas Worte von gestern ein: „ Du bist ein sehr schöner Riese und das ist gut so.“ Bruno lächelte wohl und sagte dann„Ja, wie gut, dass ich so groß bin.“ und ganz leise für sich dachte er „Wieso hab ich das denn früher nicht gewusst?“ Tim hatte sich inzwischen von dem Schreck erholt und war froh, nicht mehr in der Grube zu sein. Jetzt wurde er neugierig, den Riesen genauer kennen zu lernen. Seine Neugier war jetzt stärker als seine Angst und er wollte den Riesen näher kennen lernen. Tim schickte ein vorsichtiges Lächeln zu Bruno. Als Bruno zurücklächelte, wusste Tim, dass er Bruno nett fand. Nun saßen sie beide friedlich nebeneinander. „Wie bist Du in die Grube gekommen?“, wollte Bruno wissen. „Ich hab einen bunten Vogel beobachtet und plötzlich bin ich in die Grube gefallen“, sagte Tim, und wollte endlich wissen, worüber er schon die ganze Zeit nachdachte: „Warum bist Du so groß, viel größer als ich?“ „Na weil ich ein Riese bin“, antwortete Bruno. Alle Riesen sind so groß“ Bruno machte eine Pause und blickte Tim verwundert an, verwundert darüber, dass Tim das noch nicht wusste. Riesen waren doch das einfachste von der Welt. „Und wie kommst Du hier her?“, wollte Tim nun wissen. Es wurde immer spannender für Bruno. Wussten die Kinder denn gar nicht, was in ihrem Wald direkt neben dem Spielplatz los war? Hatten sie noch nie von den Riesen gehört? Da musste Bruno Tim einiges erklären. „Ich wohne im Wald neben dem Spielplatz in einer Höhle“, begann Bruno und erzählte ihm von seiner Riesenmama und seinem Riesenpapa, von seinem Spaß am Spritzen beim Waschen und von den bunten blauen und weißen Blumen vor der Höhle. Tim hörte aufmerksam zu und wollte nun ganz genau wissen, wie es bei den Riesen aussah. Wie lang sind Eure Betten, wie groß ist ein Löffel, habt ihr auch Zahnbürsten? Bruno erzählte und erzählte: „Unsere Betten sind so groß, dass wir uns richtig ausstrecken können.“ Bruno zeigte von enem Baum zum anderen Baum. „Oh, so groß ist bei uns ja ein ganzes Haus“, staunte Tim. „Ja, und unsere Zahnbürsten sind so groß wie ein Besen“, sagte Bruno stolz, denn einen Besen kannte Bruno, den hatte er vor kurzem auf dem Spielplatz gesehen. Bruno vergaß auch nicht, Tim zu erzählen, wie viel Spaß es macht, im Sommer vor der Höhle tüchtig mit Wasser zu spritzen. Der Riese war sehr froh, dass Tim neben ihm saß. Lange saßen sie so beisammen und merkten kaum, wie die Zeit verging. „Weißt Du, dass ich Dich schon gestern gesehen habe?“ fragte Bruno Tim. Als Tim sich darüber wunderte, erzählte ihm Bruno, wie er versucht hat, Freunde auf dem Spielplatz zu finden. „Aber du bist doch gar nicht zum Fürchten“, sagte Tim jetzt zu Bruno. „Du bist eigentlich ein netter Riese. Wie wäre es, wenn ich den Kindern von Dir erzähle. Bestimmt verstehen sie dann auch, dass Du mit uns spielen kannst.“ Bruno war sich zwar noch nicht ganz sicher, ob das wirklich so einfach sein würde, aber versuchen konnte es Tim ja.
Tim stand auf. „Los komm, wir gehen zum Spielplatz!“, sagte er und zog Bruno ungeduldig am Finger.
„Warte hier einen Moment!“, rief Tim, als sie am Waldrand angekommen waren. Bruno blieb hinter dem Busch und Tim rannte zu den Kindern. „Hört mal, was mir heute passiert ist“, rief er den anderen Kindern zu und begann zu erzählen. Er erzählte von der Grube, wie er dort hineingefallen war und dann sprach er vom Riesen Bruno, der ihm geholfen hatte. „Ihr kennt Bruno schon, fuhr Tim fort und alle hörten gespannt zu und lauschten, als Tim verkündete: „Das ist der Riese, der hier schon ein paar mal aufgetaucht ist. Wisst ihr noch, wie schnell wir weggelaufen sind? Das war gar nicht nötig. Der Bruno ist nämlich ein richtig netter Riese. Und wisst ihr, warum er hier aufgetaucht ist? Er ist ganz allein und hat niemanden zum Spielen. Bruno sucht einfach nur Freunde.“ Jetzt hatte Tim ihnen alles erklärt und schaute gespannt zu den Kindern. Keiner sagte ein Wort. Nur Anna, das Mädchen mit den braunen Zöpfen, fragte vorsichtig: „Und wo ist der Riese Bruno jetzt?“ „Er wartet im Wald, bis ich Euch alles erklärt habe.“, sagte Tim. „Wenn ihr einverstanden seid, hol ich ihn her.“ „Und er tut uns ganz bestimmt nichts?“ fragte Anna? „Nein, sonst wäre ich doch jetzt nicht hier“, sagte Tim. „Mit Bruno kann man richtig schön reden. Wir haben und lange unterhalten. Jetzt Er hat mir viel von seiner Riesenfamilie erzählt. “ Neugierig guckten die Kinder abwechselnd zu Tim und zum Waldrand. „Hol ihn her, wenn er wirklich ein netter Riese ist, dann kann er auch mit uns spielen.“, sagte Anna, und die anderen Kinder nickten. Tim wartete einen Moment, ob es sich jemand anders überlegt hatte, aber alle wollten jetzt den netten Riesen sehen. Tim ging die paar Schritte bis zum Waldrand und rief nach Bruno.
„Komm, die anderen Kinder wollen dich kennen lernen“, sagte er zu Bruno, der noch immer nicht ganz glaubte, dass die Kinder mit ihm spielen wollten. Aber zusammen mit Tim ging er nun in Richtung Spielplatz. Dieses Mal schrie kein Kind „Hilfe, ein Riese!“ und es lief auch keiner vor Bruno davon. Bruno war sehr glücklich und stand nun inmitten der Kinder, die ihm erst vorsichtig, dann immer mutiger viele Fragen stellte, Fragen zur Grube und Fragen über die Riesen. „Du hast es gut, dass du so groß bist. Von da oben muss der Wald prima aussehen.“ meinte Anna, und plötzlich hatte sie eine Idee. „Wie wäre es, wenn Du uns mal ganz hoch hebst, dann können wir auch sehen, wie es ist, von oben auf die Bäume zu gucken. Ja, bitte, heb uns hoch!“ rief sie Bruno zu. Bruno griff Anna vorsichtig und schon schwebte sie hoch über den Bäumen. „Das macht ja Spaß hier oben!“, jubelte Anna vor Freude und dann wollten alle den Wald von oben sehen. Bruno hob geduldig einen nach dem anderen hoch und dabei lächelte er glücklich vor sich hin. Tim freute sich über seinen neuen Freund. Es machte allen jetzt viel mehr Spaß auf dem Spielplatz, und Bruno fiel immer wieder etwas Neues ein. Er ließ die Kinder auf seine Arme krabbeln und schaukelte sie hin und her. Dann kam Bruno die Idee, dass er die Kinder auf die Rutsche setzen konnte. So konnten sie viel öfter rutschen und mussten nicht jedes mal wieder die Stufen hochklettern. Als die Kinder dann mit Bruno verstecken spielen wollten, musste Bruno sich ganz flach auf den Bauch hinter einen großen Busch legen, nur so war sein großer Bauch nicht gleich zu entdecken. Dann durfte Bruno- suchen und kurz darauf hörten die Kinder ihn glücklich rufen: „Eins, zwei drei, ich komme!“.
Der Nachmittag war im Nu vergangen und die Kinder mussten nach Hause“ Schon wollte Bruno wieder traurig werden, aber da hörte er Anna rufen: „Morgen spielen wir wieder zusammen mit Bruno, das macht solchen Spaß“ „ Prima“, rief Bruno zum Abschied glücklich zu seinen neuen Freunden, „dann gehen wir zum See und ich mach für Euch den Sprungturm. Dann könnt ihr von meinem dicken Bauch ins Wasser hopsen.“
Dann machte Bruno sich auf den Weg zu seiner Höhle. Er war jetzt sehr müde, und als draußen die Eule ihr Uhu rief, rief ihr Bruno durchs offene Fenster zu: „Hallo Eule, ich hab jetzt viele Freunde.“ „Uhu“, meinte die Eule, aber da war Bruno schon tief und fest eingeschlafen.

Sonntag, 9. März 2008

Neubeginn hinter Gittern

Sie saß ganz still und rührte sich nicht. Kalt war es und vor ein paar Tagen hatte der Wind angefangen zu pfeifen. Sie fror ein wenig, aber ihr Platz bot Schutz vor der Kälte. Es war einer der letzten Tage in diesem Jahr, die sie draußen genießen wollte, auch wenn es schon ganz schön ungemütlich geworden war. Sie blickte noch einmal über die Beete des Gartens. Die Erde, die auf ihre Füße gekrümelt war, war nun schon unangenehm nass. Bald würde der Herbst seine rauen Winde losschicken und dann kam der lange dunkle Winter, in dem sie nie genug frische Luft hatte, den sie gewöhnlich in ihrem dunklen Zuhause verbrachte, sich ausruhte von einem Sommer im Grünen. Dann durchlebte sie den vergangenen Sommer mit ihrer besten Freundin noch einmal, erinnerte sich an schöne Stunden im Sommerwind und dachte daran, wie sie sich gemeinsam über das Flattern der bunten Schmetterlinge gefreut und wie sie dem Kuckuck gelauscht hatten. Ja, es war schön mit der Freundin, von der sie schon eine Weile nichts mehr bemerkt hatte. Wo steckte die eigentlich? Warum meldete sie sich nicht? Jetzt reichte es nicht, einfach nach nebenan zu gucken, was die Gute trieb, jetzt war Herbst und sie beide hatten sich schon fast in ihr Quartier zurückgezogen. Auch wenn sie noch so genau guckte, sie konnte ihre Gefährtin nicht entdecken. An manchen Tagen konnte sie von hier aus riechen, wie gut es bei ihrer Freundin duftete, aber heute verriet kein Duft etwas von ihr. Nur Dunkelheit und Kälte ringsum waren zu spüren, Es roch nach nasser Erde und ab und zu war das Rascheln eines Regenwurms zu hören. Wenn sie doch auch so krabbeln könnte, wie ein Regenwurm, dann würde sie hinüberrutschen und nachsehen, was mit der Freundin geschehen war. Aber als kleine Lilie Pinky, genauer gesagt als eine Pink Perfection, musste sie still an ihrem Platz bleiben und konnte nicht nachsehen, wie es ihrer lieben Queeny, einer African Queen, ging. Langsam wurde Pinky unruhig. Was sollte sie tun? Ich werde den Spatz fragen, dachte Pinky, der passt immer genau auf, was im Garten los ist. Als der Spatz wieder vorbei kam, rief sie ihn. „Sag mal, Spatz, hast Du Queeny gesehen? Ich kann sie nirgends finden.“ Aber der Spatz piepste nur, da musst Du jemanden fragen, der unter der Erde wohnt. Hier oben ist sie nicht.“ Traurig bedankte sich Pinky und plötzlich fiel ihr der Maulwurf ein. Ja, der könnte Bescheid wissen. „Hallo, Herr Maulwurf“, rief die kleine Lilie so laut, bis der Maulwurf zu ihr gekrochen kam. „Was gibt es denn, warum schreist Du so?“, fragte er. „Maulwurf, sag mal, hast Du meine Freundin Queeny gesehen? Ich kann sie nirgends entdecken?“. Der Maulwurf dachte lange nach, dann begann er zögernd zu antworten. „Nein, gesehen habe ich sie nicht. Tut mir leid. Ich glaube, etwas Schreckliches ist geschehen. Ich habe vor zwei Tagen die böse Wühlmaus hier gesehen. Sie war auf Futtersuche. Vielleicht hat sie Queeny erwischt.“
Pinky hielt vor Schreck den Atem an. Queeny von der Wühlmaus gefressen? Das ist ja schrecklich. Pinky wurde sehr traurig. Sollte es keinen neuen Sommer mit Queeny geben? Sollten sie nie wieder den lustigen Schmetterlingen hinterher gucken und nie wieder den Kuckuck rufen hören? Sie wollte es noch nicht glauben. Vor lauter Kummer zog sie ihren letzten Rest Stiel ein und verkroch sich ganz tief in der Erde.
Sie musste eine ganze Weile reglos in ihrem Loch gesessen haben, immer an Queeny denkend, als sie plötzlich ein Wackeln der Erde wahrnahm. Ja, ganz in ihrer Nähe bewegte sich die Erde gefährlich stark. Immer näher kam das Wackeln. Kam die Wühlmaus jetzt auch, sie zu holen? Pinky konnte plötzlich nur noch weinen.
Doch plötzlich hörte das Wackeln auf. Es war wieder ruhig und Pinky atmete erleichtert auf, bis es gleich darauf von neuem begann. Pinky zitterte. Sie zitterte vor der Wühlmaus. Aber was war das? Das Wackeln hatte aufgehört, es begann zu klacken. Immer öfter hörte Pinky das Klack Klack Klack. Das konnte sich die kleine Lilie nun gar nicht erklären. So etwas hatte sie noch nie gehört. So klingt es doch nicht, wenn die Maus einen Lilienstängel durchbeißt. Hatte die Wühlmaus sich Metallzähne zugelegt, damit sie kräftiger zubeißen konnte? Ängstlich saß Pinky in ihrem Loch und lauschte auf die Geräusche, die um sie herum zu hören waren. Plötzlich gab es ein letztes Klack Klack. Dann war Ruhe. Dann gab es plötzlich dumpfe Töne als wenn jemand Erde auf ihr schönes Beet warf. Immer wieder hörte Pinky jetzt das Bumm Bumm. Was machte die Wühlmaus denn jetzt nur? Hatte sie sich die Äste vorgenommen, waren jetzt auch noch die Bäume in Gefahr? Der kleinen Lilie taten die Bäume sehr leid, aber sie war auch ein wenig erleichtert, weil die Geräusche nicht näher kamen. Trotzdem war Pinky klar: Bald wurde es richtig kalt, und dann hatte die Wühlmaus großen Hunger. Es wurde immer gefährlicher. Vor Angst zog Pinky alle ihre Schuppen ganz nah an ihre schöne dicke Zwiebel heran. Während sie unruhig und fröstelnd zitterte, wackelte die Erde über ihr plötzlich ganz in ihrer Nähe. Es wurde hell über ihr und Pinky merkte, wie sie hochgehoben wurde. Sieht so das Ende aus, dachte sie nur noch. Doch da konnte sie auf einmal den Garten wieder sehen. Nein, das war nicht die Wühlmaus. Pinky schwebte auf einem schönen silbernen Spaten und guckte in Axels Augen. Der hatte also den ganzen Krach gemacht und ihr so viel Angst eingejagt. Der war doch sonst immer nett zu ihr. Er hatte ihr im Sommer immer abends Wasser gegeben, als sie mit ihren Wurzeln nichts mehr erreichen konnte. Er hatte ihr die lästigen Schnecken vom Hals gehalten und merkte auch immer, wenn ihr die Lilienhähnchen zusetzten. Aber was hatte er nun mit ihr vor? Ehe sie wusste was los war, schwamm sie in einer nassen Brühe, die auch noch schrecklich stank. „He Axel, was soll das denn, rief sie, aber Axel hörte sie wohl nicht und machte einfach weiter. Er tauchte sie dreimal kräftig unter, dass ihr ein wenig schwindelig wurde, dann verschwand er mit seinem Spaten in Richtung Beet. Pinky fand das zwar nicht so richtig fein, aber es war immer noch besser, als wenn sie von der Wühlmaus gefressen worden wäre. Sie beschloss, sich ruhig zu verhalten und abzuwarten. Nach eine ganzen langen Weile, wohl viele Stunden später kam Axel plötzlich mit seinem Spaten zurück und holte Pinky aus der Brühe. Dabei lächelte er sie ganz lieb an, das konnte eigentlich nichts Böses bedeuten. Pinky kam wieder auf den Spaten. Ich soll umziehen, fiel es Pinky plötzlich ein und schon ging es ab, quer durch den Garten. Pinky zwinkerte ein wenig und sah, wie sie vor einem eigenartigen Beet halt machten. Ihr neues Zuhause sah anders aus als ihre vorherigen Wohnungen. Es hatte außen vier Bretter, und am Rand konnte Pinky einen dicken grünen Drahtzaun entdecken. „Hier ist Dein neues Zuhause, Hochbeet Nummer Vier.“, sagte Axel feierlich und fügte freundlich hinzu: „Hier werden Dir die Wühlmäuse nichts tun. Ich hoffe, Du fühlst Dich dort wohl“. Unten war eine Kuhle mit Sand, in die setzte Axel Pinky hinein und gab ihr frische Erde und einen Schluck Wasser für ihr neues Zuhause. Dann war er auch schon verschwunden. Es dauerte nicht lange, da sah Pinky ihn wieder mit dem Spaten kommen und unterdrückte einen kleinen Schrei. Sie konnte vor Freude kaum glauben, was sie da sah. Auf Axels blitzendem Spaten schwebte ihr Queeny entgegen. Ihre liebste Lilienfreundin Queeny bekam tatsächlich den Platz neben ihr im Hochbeet Nummer Vier. Pinky strahlte über die ganze Zwiebel und freute sich, als Queeny sie endlich entdeckte. Jetzt konnte der Winter beginnen.

Mittwoch, 16. Januar 2008

Paul räumt auf

Paul saß in seinem Zimmer und guckte auf den Fußboden. Überall lag Spielzeug, und er hockte mitten drin. Mama hatte gesagt: „Räum auf!“. Das sagt sie immer, wenn Besuch kommt. Dabei hatte er erst vor 2 Tagen alles fein säuberlich in die Kisten geräumt. Und nun lag alles durcheinander, und er hockte mitten in dem ganzen fürchterlich unordentlichen Haufen Spielzeug. „So sieht es nun mal aus, wenn ich ganz doll spiele “, sagte er sich. Was Mama nur immer hat. Nur weil Tante Susanne zu Besuch kommt, muss das Zimmer hier ganz ordentlich sein. „Ich spiel doch nachher gleich weiter“, hatte er zu Mama gesagt. Aber Mama blieb dabei, ohne Ordnung keine Kirschtorte, und die aß Paul furchtbar gern.

Diesmal war der Spielzeughaufen besonders groß und Mama könnte ruhig ein wenig helfen, fand Paul.

„Mama, hilfst Du mir?“ fragte Paul. Aber Mama hatte selbst genug zu tun und keine Zeit dafür. Paul betrachtete seine Sachen und hatte einfach keine Lust zum Aufräumen. Er nahm sein schönstes Auto aus der Mitte heraus, das tolle grüne mit den Türen zum Aufmachen und fuhr ein wenig hin und her. Er machte die Türen auf und fuhr unter dem Tisch durch, am Schrank vorbei und parkte erst mal unter dem Fensterbrett. Das machte viel mehr Spaß als Aufräumen. Er blickte ärgerlich zum Spielzeughaufen. Aber was war das? War der Spielzeughaufen vorhin nicht viel kleiner? Paul konnte es genau erkennen, der Spielzeughaufen war gewachsen. Paul begann sich ein wenig vor der vielen Arbeit zu fürchten.

Er rannte zu Mama. „Das wird immer mehr!“ rief er. Aber Mama zog ihn zum Zimmer seiner Schwester Anna und zeigte ihm, dass dort schon alles schön geordnet in den Regalen lag. Ja, Anna würde Kirschtorte kriegen und er saß dann bestimmt noch immer in seinem Kram.

Kaum kam er zurück aus Annas Zimmer, schien der Spielzeugberg schon wieder größer zu sein. Und nun wollte auch noch Mama alles wegpacken, wenn nicht bald Ordnung ist. Aber dann durfte Paul ganz schön lange nicht mehr damit spielen, das wusste er schon von letztem Freitag, als er auch nicht aufgeräumt hatte. Da hatte Mama aufgeräumt und dann alles eingeschlossen.

Paul warf sich auf sein Bett und begann zu weinen. Das schaff ich nie, dachte er, das ist viel zu viel, da werd ich nie fertig, und eine dicke Träne kullerte ihm über die Wange. Er wischte sie schnell weg. Der Spielzeugberg wirkte jetzt riesig und wie ein schreckliches Ungeheuer, das Paul nie und nimmer besiegen konnte. Paul fürchtete sich sehr davor. Er fühlte sich ganz klein und schwach daneben.

Gerade wollte er wieder zu weinen anfangen, da hörte er eine feine Stimme flüstern:

„Warum bist du denn so traurig?“ Erschrocken sah sich Paul um, konnte aber niemanden entdecken. Sicher hatte er sich verhört. Aber schon flüsterte es wieder: „Warum weinst du denn?“ Es schien direkt aus dem Spielzeugberg zu kommen.

„Ist da wer?“, fragte Paul ganz leise und sein Herz klopfte ganz doll. Dann musste er wieder schluchzen.

„Nun hör schon auf zu weinen, ich tu dir doch nichts“, sagte die Stimme. Paul wunderte sich sehr und fürchtete sich noch ein wenig, aber er wollte zu gern wissen, wer da mit ihm redete.

„Wo bist du? Ich kann gar keinen sehen“ sagte Paul und war richtig neugierig geworden.

„Ich bin hier, im Spielzeugberg“, antwortete die Stimme und im selben Moment schien der Spielzeugberg ein wenig zu wackeln. Paul blickte gespannt auf das Spielzeug, das sich von ganz allein bewegte. „Wer bist Du?“, fragte er und nahm seinen ganzen Mut zusammen. Es raschelte und mitten aus dem Spielzeug schob sich ein kleiner Kobold hervor. Er hatte einen runden Kopf, eine Knopfnase, einen kugelrunden Bauch und sah eigentlich ganz freundlich aus. An seinen Füßen saßen zwei schöne leuchtend rote Schuhe, mit denen er hin- und her wippte. „Ich bin Heppi“, hörte Paul aus dem Spielzeugberg. Der Kobold lachte Paul freundlich an. „Wo kommst Du denn her?“, fragte Paul ganz erstaunt. „Bin ganz schnell hergeflogen, als ich Dein Zimmer gesehen habe und gehört habe, wie Du weinst. Ich komme um Dir zu helfen.“, sagte Heppi. „König Chaos wird immer übermütiger und langsam tun mir die Kinder leid“, meinte der freundliche Kobold jetzt. „Wer ist denn König Chaos?“, fragte Paul gespannt. „König Chaos wohnt bei mir zu Hause. Er liebt Unordnung, je mehr, desto besser. Dann wird ihm ganz warm und gemütlich und er fühlt sich so richtig wohl. Davon kriegt er nie genug. Allein kann er gar nicht so viel Unordnung anrichten, also sorgt er dafür, dass ihm die Kinder dabei helfen. Am meisten freut er sich, wenn die Kinder gar nichts mehr finden und dann auch noch Ärger mit ihren Eltern kriegen. Manchmal räumen sie ganz schnell auf, dann ärgert sich König Chaos. Darum hat er sich vor einiger Zeit was ausgedacht, wie er die Kinder dazu bringt, ihre Unordnung schön liegen zu lassen. Leider klappt das so gut, dass die Kinder gar nicht mehr fröhlich in ihren Zimmern spielen können, sondern nur noch mutlos neben ihren Sachen sitzen. Er macht den Kindern immer mehr Angst vorm Aufräumen, das geht einfach nicht mehr so weiter.“ Paul blieb vor Staunen der Mund offen. Er hatte noch nie etwas von einem König Chaos gehört und so war er ganz leise und hörte Heppi weiter zu.

„König Chaos ist seit einiger Zeit ganz schön stark geworden und er hat sich viele Helfer gesucht, alles Leute, die Aufräumen überhaupt nicht leiden können. Die freuen sich, dass endlich mal einer versteht, dass man so etwas nicht möchte, und vor allem freut sie, jemanden gefunden zu haben, der dafür noch besonders nett zu einem ist. König Chaos kann nämlich sehr nett sein, wenn er neue Helfer sucht. Sie müssen nur versprechen, nie mehr aufzuräumen. Dann holt sich König Chaos ihre Sachen ab und sie bekommen nur das nötigste, was sie brauchen. Natürlich ist das viel, viel weniger als das, was sie dem König mit den abgeholten Dingen geben, nur finden sie das vor lauter Aufräumangst nicht einmal komisch. Meistens merken sie es gar nicht und sind sehr glücklich, nie mehr aufräumen zu müssen. Als Dank an König Chaos müssen sie umherziehen und unordentliche Kinderzimmer finden, in denen die Kinder auch ein wenig unzufrieden sind übers Aufräumen“, erklärte Heppi dem Paul, der sich alles mit vor Staunen offenem Mund anhörte.

„Waren die Helfer auch bei mir?“, wollte Paul jetzt wissen. „ Natürlich waren sie auch bei Dir.“, sagte Heppi. „Sie haben dem König Bescheid gesagt. Und dann kommen seine Fürchtedrachen angeflogen und setzen sich mitten in das ganze Durcheinander.“

„Was für Fürchtedrachen? Sind hier etwa welche?“, wollte Paul wissen.

„Nur einer“, antwortete Heppi. „Aber inzwischen hat er schon 3 Köpfe bekommen und der vierte lässt nicht mehr lange auf sich warten. Du siehst ihn nicht, aber Du spürst ihn ganz genau. Der ist ganz schön gut darin, das Durcheinander zu bewachen und den Kindern so richtig Angst vor dem Aufräumen zu machen. Er faucht mit jedem Kopf und flüstert Dir ganz leise zu, das Aufräumen schrecklich ist und Du Dich davor fürchten musst, bis Du es dann wirklich glaubst. Dabei kennt er viele Tricks. Mal flüsterte er einem Aufräumfürchter ein, dass das Ordnung machen nie zu Ende geht, mal redete er den Kindern vor, dass es sowieso nicht gut klappt mit dem Ordnung machen und gar nicht zu schaffen ist, mal sagte er ihnen, dass es doch ganz unwichtig ist, weil nur Mama das so will und morgen sowieso wieder alles neu herumliegt. Einem Fürchtedrachen fällt immer etwas ein, warum Aufräumen gerade nicht geht, was man dann an tollen Spielen verpasst, warum es ganz furchtbar ist oder dass man das sowieso nicht so schön hinkriegt, wie die Schwester oder wie man es gerade gern möchte. Er ist da sehr erfindungsreich. Aber das schlimmste ist: Jedes mal, wenn Du Dich am Aufräumen vorbeischummelst, bekommt er einen neuen Kopf, mit dem er Dir dann mehr Angst machen kann und wird so ein wenig fürchterlicher. Du kriegst immer mehr Angst vor dem Aufräumen und er wird wieder ein Stück stärker und fürchterlicher.“ Heppi machte eine Pause, blickte Paul an und wartete einen kurzen Augenblick.

Jetzt fühlte es Paul auch ganz deutlich, der Drachen war ganz dicht bei ihm und brachte ihm das Fürchten bei. Paul hatte überhaupt keinen Mut mehr, mit dem Aufräumen zu beginnen. Am Anfang war er nur ein wenig unlustig und mit der Zeit spürte er einen dicken Kloß im Hals, wenn er nur ans Aufräumen dachte. Je länger er wartete, desto schlimmer wurde es. Und die schöne Kirschtorte konnte er wohl vergessen. Plötzlich merkte Paul, wie er ganz doll wütend wurde, wütend auf König Chaos und wütend auf diesen doofen Drachen, der ihm das eingebrockt hatte. Er musste diesen Drachen loswerden und König Chaos dazu. Er dachte nach, wie er das anstellen könnte. Aber ihm fiel nichts ein. Ob Heppi da einen Rat wusste?

„Gibt es denn gar nichts, was kann man gegen diese Fürchtedrachen tun kann?“, fragte Paul den kleinen Heppi, der ihn noch immer anblickte. „Doch, es gibt etwas, etwas was Fürchtedrachen überhaupt nicht vertragen können“, antwortete Heppi. „Eigentlich ist es ganz einfach. Sie mögen es nämlich überhaupt nicht, wenn Kinder sich nicht fürchten und aufräumen. Dann fangen sie an zu schrumpfen, verlieren ihre Köpfe nach und nach, als ob Du sie ihnen abhaust. Natürlich fauchen sie entsetzlich, reden den Kindern ein, wie gefährlich sie sind und dass Aufräumen ganz schrecklich ist. Aber in Wirklichkeit haben sie furchtbare Angst davor, wenn Kinder wirklich mit dem Aufräumen beginnen.“ Und er reichte Paul eine Brille. Paul setzte die Brille auf und sah auf einmal den Drachen ganz deutlich vor sich. Der sah furchtbar aus, hatte 3 Köpfe, steil aufgerichtete Stacheln auf dem Rücken und fauchte schrecklich. Paul fürchtete sich, aber Heppi sagte ihm: „ Jetzt fang an mit Aufräumen und guck, was passiert.“ Paul fühlte wieder seine Wut und diesmal war es ganz deutlich, dass er auf den Fürchtedrachen so richtig sauer war. Der sollte ihm die Kirschtorte nicht verderben. Er blickte noch ein wenig ängstlich zu dem Fürchtedrachen, der seine Stacheln am Rücken bedrohlich in die Höhe streckte. Aber Pauls Wut war stärker als seine Angst. Er griff ganz vorsichtig nach seinen Buntstiften, die ein wenig abseits am Rande lagen. Der Drachen fauchte ihn an, hielt ihm zur Ablenkung Pauls Lieblingsbuch hin, in dem der immer so gerne blätterte, wenn er eigentlich aufräumen sollte. Aber diesmal konnte er es nicht schaffen, dass Paul die Buntstifte ganz schnell griff und in den Stiftebecher auf dem Regal steckte. Paul lies sich nicht mehr ablenken.

Paul blickte nur noch ein klein wenig ängstlich in die Ecke, wo der Drachen lauerte, aber da geschah plötzlich etwas Eigenartiges. Der Drachen schüttelte sich, kullerte einmal herum und als er wieder aufrecht stand, war ein Kopf verschwunden, der Fürchtedrachen hatte wirklich nur noch zwei Köpfe. Das machte ihn gleich ein bisschen weniger fürchterlich. Die beiden Köpfe fauchten Paul nun zu und Paul hörte ganz deutlich: „Das ganze Spielzeug kriegst Du nie bis nachher aufgeräumt. Das ist viel zu viel.“ Der Drachen lauerte was Paul tun würde und wartete.

Paul atmete tief durch und spürte wieder seine Wut. Wie gut, dass er Heppi getroffen hatte. Jetzt mach ich ihn fertig, dachte Paul. Jetzt soll der Drachen endlich hier verschwinden. Er stürmte zum Spielzeugberg und fing an, die Holzbausteine in die große gelbe Kiste zu räumen, einen nach dem anderen. Ganz schnell und ohne zum Drachen zu gucken machte er das, damit er vor lauter Drachenangst nicht mitten drin aufhörte. Der Drachen wand sich, fauchte und schrie, aber Paul hörte erst auf, als alle Holzbausteine fein säuberlich in der Kiste eingeräumt waren. Paul machte froh den großen Deckel auf die Kiste. Das wäre geschafft. Laut pustete Paul vor sich hin. Das war gar nicht so schwer, wie er gedacht hatte. Er war jetzt sogar ein wenig stolz auf sich. Da schüttelte der Drachen sich, fauchte noch einmal besonders laut und kullerte sich wieder auf dem Boden herum. Als sich der Fürchtedrachen wieder aufgerichtet hatte, sah Paul vorsichtig zu ihm hin und sah, dass der Drachen auf einmal viel kleiner und weniger gefährlich aussah. Vor allem aber hatte er jetzt nur noch einen Kopf. Mit dem fauchte er zwar immer noch vor sich hin, aber so richtig furchtbar klang das schon gar nicht mehr. Paul musste sogar ein wenig lachen, wie der Drachen sich bemühte, ihm Angst zu machen. Jetzt versuchte der Fürchtedrachen etwas Neues:„So schön ordentlich wie bei Deiner Schwester wird es bei Dir sowieso nie. Brauchst es gar nicht zu probieren, die kann sowieso viel besser aufräumen.“, flüsterte er Paul zu. Aber Paul wusste jetzt, dass der Fürchtedrachen ihn nur beim Aufräumen stören wollte. Paul war ganz schön mutig geworden. Den Rest schafft er nun sicher ganz schnell. Schnell räumte er noch seine Autos ein, dann die Feuerwehr und den Autotunnel, nun noch seine tolle Ampel und schon war es geschafft. Der Drachen fauchte noch einmal auf, dann gab es einen kleinen Knall und er war verschwunden. Das Zimmer war aufgeräumt.

Paul war mächtig stolz und sah zu Heppi. „Na also, wusste ich es doch, dass Du es mit der Brille viel besser schaffst.“ „Ist der Drachen immer da, wenn ich aufräumen soll?“, fragte er den kleinen Kerl. „Nur, wenn Du das so lange vor Dir her schiebst. Dann schickt König Chaos einen Drachen zu Dir, der Dir richtig Angst machen soll. Und bis jetzt hat das ja auch immer prima geklappt. Beim nächsten mal weißt Du, dass es nur ein Fürchtedrachen ist, den Dir König Chaos geschickt hat. Und Du weißt auch wie Du ihn wieder loswirst. Du musst einfach anfangen, Drachen mit Aufräumen schwach zu machen, dann werden sie ungefährlich und machtlos und verschwinden. Aber nun weißt du auch warum das so ist und was Du tun kannst, wenn du dich so richtig fürchtest.“, sagte Heppi.

„Brauch ich dann immer deine Brille?“, fragte Paul.

„Nein, die Brille hast du nur heute gebraucht, weil Du das mit dem Fürchtedrachen und König Chaos noch nicht wusstest.“, erklärte Heppi Paul weiter. „ Darum hab ich Dir heute ein wenig geholfen. Beim nächsten Mal kennst du den Fürchtedrachen und wirst ihn gleich besiegen und nicht erst groß werden lassen. Die Brille kannst Du zur Erinnerung behalten, aber Du wirst den Fürchtedrachen damit nicht mehr sehen. Du schaffst es jetzt auch ohne die Brille.

„ Danke, dass Du mir beim Aufräumen geholfen hast, Heppi“, sagte Paul und legte die Brille auf seinen Nachttisch. Er war sehr froh, einen so tollen Freund gefunden zu haben. „ Das warst Du ganz allein.“, sagte Heppi. „Ich hab Dir doch nur gezeigt, wie es geht.“

Inzwischen guckte Mama ins Zimmer: „Hier ist es ja schon ganz ordentlich, sagte sie, das hast Du aber schnell geschafft. Nun kannst Du mit uns Kaffeetrinken und Kirschtorte essen.“

Paul lächelte leise, er hatte ja nun einen tollen Freund. Aber davon sagte er Mama nichts. „Das bleibt unser Geheimnis.“, flüsterte er dem Kobold zu, der ganz schnell unter den Schrank hüpfte, noch einmal raschelte und dann verschwunden war.

Paul guckte unter den Schrank, doch er konnte den Kobold nicht mehr entdecken. Aber er wusste genau, wer ihm so toll geholfen hatte. Schnell zog er seine gute Hose an, und bevor er sein Zimmer verließ, guckte er noch einmal zum Nachttisch und sah die Brille dort liegen. Dann rannte er schnell ins Wohnzimmer, wo schon der Tisch gedeckt war. Als die Kirschtorte herein gebracht wurde, dachte er: Eigentlich müsste Heppi auch ein Stück abbekommen, aber der war nirgends mehr zu entdecken.